Sie sind mir unsympathisch

Während einer Gruppensupervision für Lehrkräfte von Oberstufenzentren möch­te eine Lehrerin eine Situation beleuch­ten, die sie über ein Jahr lang beschäf­tigt hat. Am Ende einer Unterrichtsstunde – als sie mit einer Schülerin im Gespräch über eine Klassenarbeit ver­tieft war – bau­te sich neben ihr unver­mit­telt ein Schüler auf und sag­te mit lau­ter Stimme: “Übrigens, was ich Ihnen schon immer sagen woll­te: Sie sind mir unsympathisch”.

Die Lehrerin stand danach wie unter Schock und fand in der Folgezeit kei­ne ange­mes­se­ne Form, mit die­ser Situation umzu­ge­hen. Den mitt­ler­wei­le ver­trau­ten Rahmen nutzt sie für die Frage, sich Anregungen zu holen, was sie in sol­chen Momenten tun kann – auch für mög­li­che Folgesituationen. Mit Hilfe eines kur­zen Rollenspiels stel­len wir die Szene von damals nach. Es wird allen Beteiligten deut­lich, wie mas­siv und unver­mit­telt die ver­ba­le Attacke des Schülers auf die Kollegin gewirkt haben muss. Alle spü­ren die Schockwirkung die­ser Situation.

Als wich­tigs­te Erkenntnis der Supervision bleibt haf­ten, dass sol­che Momente danach in einem geschütz­ten Rahmen bespro­chen wer­den müs­sen, damit sie – wie in die­sem Fall – nicht wochen­lang nach­wir­ken. Die Kollegen berich­ten von ähn­li­chen Situationen aus ihrem Schulalltag und tei­len mit, was ihnen jeweils gehol­fen hat, damit fer­tig zu wer­den. Die Kollegin bekommt vie­le Anregungen, wie sie nach so einer Situation — sobald sie den Schock ver­daut hat — den wei­te­ren Kontakt mit dem ent­spre­chen­den Schüler gestal­ten kann. “Beim nächs­ten Mal wer­de ich so jeman­dem hin­ter­her nicht mehr aus dem Wege gehen” lau­tet ihr Abschlusskommentar zur Fallbesprechung.